„Was kostet denn bei Ihnen eine einfache Visitenkarte?“
Dieserlei Fragen kommen immer zum ungünstigsten Zeitpunkt: zu Beginn der Geschäftsbeziehung! Am besten man stellt sich getrost darauf ein, grundsätzlich beim ersten Kundengespräch eine Grobkalkulation für die gewünschten Leistungen erstellen zu müssen. Ungünstigerweise kennen wir zu diesem Zeitpunkt weder das Projekt noch die genauen Anforderungen an uns, noch die größte Unwägbarkeit: den Kunden. Wenn der Kunde ›einfache Visitenkarte‹ sagt, meint er dann auch eine ›einfache Visitenkarte‹? Oder doch eine Klappkarte mit Spotlackierung und Prägung? Und was für ein ›Typ‹ Kunde ist der gut gelaunte Herr mit dem netten Lächeln mir gegenüber? Einfach nur ein freundlicher Mitmensch? Der unkomplizierte Kumpeltyp, der mit einem Wurstlogo über seiner Würstchenbude glücklich einschläft? Oder ein notorischer Querulant? Und welches Mysterium verbirgt sich hinter den Worten ›Das Logo ist ja eigentlich schon fertig‹?
In der Tat ist damit meistens gemeint: „Wir haben uns schon fast für einen Firmennamen entschieden. Irgendetwas mit ›mobil‹ oder ›bio‹.“
Also was kostet Design?
Schon bei der ersten Kalkulation müssen wir unsere Leistungen möglichst genau anbieten. Immerhin treten wir jetzt mit anderen Designbüros in Wettbewerb und müssen konkurrenzfähig bleiben. Eines steht fest: Design kostet Zeit. Die Kunst besteht darin, eine realistische Berechnung anzustellen, die genug Taler in unsere Kasse spült und zugleich den Kunden nicht verschreckt. Dabei dürfen Sie Ihren Bleistift nicht derart spitzen, dass Sie sich mit Ihrem Angebot unterhalb Ihrer (Lebens-)Kosten wiederfinden. Irgendwann wird der Bleistift nämlich zu kurz! Erzielen Sie unter dem Strich Verluste, können Sie sich früher oder später nicht mehr auf dem Markt halten. Also: Was ist zu tun? Im Unterschied zu den meisten anderen Berufsgruppen gibt es für Designer keine verbindlichen Honorarsätze. Damit muss grundsätzlich jeder seine Vergütung mit dem Auftraggeber selbst aushandeln und den Auftraggeber vom Preis-Nutzen-Verhältnis überzeugen. Dies mag einem Stardesigner mit einem Tagessatz von 80.000 EUR leicht gelingen, bei einem Berufsanfänger wird das Prozedere schon etwas schwieriger …
Eine gute Kalkulation berücksichtigt drei Faktoren:
- Welcher Arbeitsaufwand kommt auf mich zu?
- Wie lange benötige ich zur Bewältigung dieser Arbeit?
- Wie hoch muss meine Arbeitszeit vergütet werden, um von meiner geleisteten Arbeit (gut) leben zu können?
Zeitaufwand einschätzen
Zunächst gilt es also festzustellen, welcher Arbeitsaufwand (= Zeitaufwand) auf uns zukommt. Gerade Berufsanfängern fällt es schwer, mangels Praxiserfahrung den wirtschaftlich realen Designentwicklungsprozess richtig einzuschätzen. Aber auch Profis fällt es zuweilen schwer, den Umfang eines Projektes einzuschätzen, wenn man das gewohnte Terrain verlässt. Bei dem Entwurf einer Visitenkarte kann der absehbare Zeitaufwand noch überschaubar sein, aber wie sieht es bei komplizierten Projekten, wie zum Beispiel dem Entwurf einer Anzeigenkampagne, der Gestaltung eines Geschäftsberichtes, dem Layout und Satz eines Journals oder der Entwicklung eines Internetportals aus? Hilfreich ist es, die anstehenden Arbeiten in kleinere und überschaubare Häppchen aufzuteilen, wie zum Beispiel:
- Beratungsleistungen
- Entwurfsarbeiten
- Reinzeichnung
- Abwicklung.
Sodann ist zu klären, mit welchem Zeitaufwand bei dem anstehenden Auftrag in der jeweiligen Kategorie zu rechnen ist. Wie kompliziert ist der Auftrag? Wie umfangreich gilt es zu beraten, und wie rasch könnte der Entwurf von der Hand gehen? Die Beratung zu einer Broschüre wird sicher zeitaufwändiger sein, als bei einem Briefpapier. Die Gestaltung eines 2-seitigen Flyers erfolgt zügiger als die eines Leporellos. Natürlich ist es kompliziert, den Arbeitsaufwand für ein Projekt im Voraus einzuschätzen. Die besondere Schwierigkeit besteht indes darin, dass viele Designarbeiten kaum pauschalisiert werden können. Ein Pauschalpreis setzt nämlich voraus, dass standardisierte Einzelleistungen kalkuliert werden können, die für alle Kunden gleich sind. Designleistungen werden jedoch nach individuellen Anforderungen für unterschiedlichste Kunden maßgeschneidert erbracht. Die Vielzahl der Designdisziplinen mit ihren unterschiedlichsten Arbeitsphasen und Anforderungen erfordert eine überaus differenzierte Betrachtungsweise der Designvergütungen.
Unterm Strich hilft aber all das Gejammer nicht: Wir müssen unsere Arbeitszeit einschätzen! Hier hilft eine Aufbröselung der alltäglichen Arbeit in einzelne Punkte weiter. Eine solche Art Leistungskatalog könnte wie folgt aussehen:
- Entwicklung und Beratung
- Einarbeitung in das Thema
- Rechercheleistung
- Kommunikations- und Werbeanalysen
- Beratungen und Besprechungen
- Abwicklung
- Entwurfsarbeiten
- Gestaltungskonzept (Stil, Form und Farbe)
- Typografisches Konzept
- Entwurfsarbeiten
- Präsentation
- Korrekturen
Produktion Print
- Materialabstimmung (Papierwahl, Druckverfahren, etc.)
- Einholen von Angeboten von Drittdienstleistern (Druckereien, Fotografen, etc.)
- Koordination und Kontrolle von Dritten
(z. B. Druckereien) - Druckbetreuung (Andruck, Druckabnahme, Koordination)
- Auftragshandling
Produktion Internet
- Technische Umsetzung (Programmierung) der Homepage, inkl. Menü und Navigationselemente
- Technische Umsetzung der Folgeseiten
- Technische Umsetzung der Add-Ons, wie Kontaktformular, Galerie, Redaktionstool, Online-Shop, Flashintro
- Upload und Systemcheck
- Suchmaschinenoptimierung und –anmeldung
- Technische und redaktionelle Betreuung der Website
Sonstige Leistungen und Kostenfaktoren
- Desktop Publishing / Reinzeichnung
- EBV / Elektronische Bildbearbeitung (pro Motiv)
- Organisationskosten (Porto, Kuriere, Fahrtkosten)
- Materialkosten (Ausdrucke, Proofs)
- Aufbereitung von Rohdaten, inkl. Korrekturlauf nach Verifikation durch Kunden; Mehrarbeit durch analoge Datenlieferung (Scans und Bildkorrekturen, Datenübernahme durch manuelle Texterfassung)
- Erwerb von Bildrechten
- Lektorat, Übersetzungsbüro
- Anfertigung von Präsentationen
- Fahrtzeiten, Spesen
Natürlich kann die Liste endlos weitergeführt werden. Die Kunst besteht darin, sich nicht zu sehr in Details zu verlieren. Schaffen Sie für sich passende Kalkulationseinheiten und kontrollieren Sie regelmäßig Ihre Arbeitszeiten nach diesem Schema! Dazu eignen sich hervorragend Stundenzettel oder entsprechende Zeiterfassungs-Software.
Ein Stundenzettel könnte wie folgt aussehen:
Kunde:
Projekt:
Leistungen:
Nach und nach werden Sie Werte für ›geringen‹ und ›hohen‹ Aufwand ermitteln. Und schneller als gedacht finden Sie realistische Maßstäbe, wie zum Beispiel für den Entwurf einer ›einfachen Visitenkarte‹ aus unserem obigen Beispiel:
Kunde: Max Mustermann
Projekt: Einfache Visitenkarte
Leistungen:
Beratung: 0,3 Stunden
Ideenfindung: 0,5 Stunden
Entwurfsarbeit: 1,0 Stunden
Korrekturen:
Reinzeichnung:
Abwicklung: 0,2 Stunden
Zum Beispiel statt Entwurf einer 8-seitigen Unternehmensbroschüre:
Entwurf Titel / Umschlag
Entwurf Seite Inhalt
Entwurf Folgeseite Inhalt (Layout-Adaption)
Haben Sie einmal Ihre durchschnittliche Arbeitszeit für die Titelgestaltung und für den Entwurf oder Satz einer typischen Folgeseite ermittelt, können Sie Broschüren oder Internetseiten mit unterschiedlichster Seitenzahl rasch berechnen. Je umfangreicher Ihr Projekt, desto wichtiger ist die effiziente Aufteilung in einzelne Arbeitsschritte, um nicht den Überblick zu verlieren.
So könnte der Entwurf einer Website in folgende Arbeitsschritte unterteilt werden:
- Screendesign Homepage
- Gestaltung des Basislayouts der Homepage
- Gestaltung des Menüs und der Navigationselemente
- Screendesign Einzelseiten
- Gestaltung Webseite (Grundraster Text / Bild)
- Gestaltung typische Folgeseite
- Add-Ons
- Gestaltung Bildergalerie
- Gestaltung Kontaktformular
- Sonstige Leistungen
- Bildrecherche und Erwerb von Bildrechten
- Bearbeitung von gelieferten Texten
- Scan- und Fotoarbeiten
Auch hier gilt: Haben Sie einmal Ihre durchschnittliche Arbeitszeit für den Entwurf einer Homepage (Basislayout) und einer typischen Webseite ermittelt, können Sie Internetseiten mit unterschiedlichster Seitenzahl rasch berechnen. Mit etwas Übung und ständiger Selbstkontrolle, fällt Ihnen bald eine erste Einschätzung hinsichtlich der aufzuwendenden Arbeitszeit wesentlich leichter.
Mehr Infos findest du unter Design kalkulieren – Das Portal.
Hallo,
Der Bericht ist sehr gut gegliedert und hilft mir bei meiner Berechnung. Vielen Dank
Danke :-) … und gutes Gelingen!