Eigentlich sollte die Überschrift ja lauten: „Design und Geld“. Aufgrund des großen Feedbacks auf mein Buch „Design kalkulieren“ möchte ich lieber mit der Frage: „Design oder Geld“ starten. 21:40 Uhr. Der Drucker hat mit letzter Tinte das 32-seitige Design-Manual ausgedruckt, die Entwürfe sind auf schwarze Pappe geklebt und man hat das gute Gefühl, ein wirklich gelungenes Signet entwickelt zu haben. Momente, die dem Designer das erhebende Gefühl geben, einen der schönsten Berufe der Welt auszuüben. Am Monatsende wird die Euphorie nachhaltig gedämpft: der Blick auf das Firmenkonto. Zunächst einmal ist der Bankauszug nicht schön gestaltet. Schwerer wiegt allerdings, dass auch der Inhalt nicht überzeugt. Warum decken die Einnahmen kaum die Ausgaben? Und wo soll zwischen all den Zeilen der Gewinn versteckt sein? Das ist doch nicht möglich! Man hat doch ausschließlich zufriedene Kunden, freundliche Partner und rund um die Uhr geschuftet. Da der Tag nicht mehr als 24 Stunden zu bieten hat, bleibt nur eine Schlussfolgerung: Die eigene Arbeit wird nicht ausreichend vergütet. Aber was heißt schon ›ausreichend‹?
Wie berechne ich eine ›vernünftige‹ Vergütung?
Was sollte, darf oder muss sogar ein Signet, ein Fotoshooting, eine Visitenkarte oder eine Website kosten?
Mit welchen Angeboten stelle ich mein Licht unter den Scheffel, und ab wann verschrecke ich meine Kunden?
Nun wären diese Fragen leichter zu beantworten, wenn die Spezies ›Designer‹ nicht grundsätzlich vertrags- und vor allem preisverhandlungsscheu wäre. Vielleicht liegt es daran, dass wir unsere Arbeit gern als Kunstwerk sehen, und diese damit ohnehin unbezahlbar ist. In gewisser Weise stimmt das ja auch. Als Künstler nimmt man voller Eifer die Herausforderungen der Menschheit auf sich, es sprudeln bereits beim ersten Kundengespräch tausende Ideen aus dem schier unerschöpflichen Quell der Kreativität – und dann trifft einen mitten im Fluss der Ereignisse die profane Frage: „Und was kostet das jetzt alles?“ Diese Frechheit trifft den Designer mitten ins Mark.
Dort, wo es am meisten schmerzt: im Reich der Zahlen und mathematischen Berechnungen. Da hat man soeben die innovativsten Einfälle zu Papier gebracht und wollte sich hoch motiviert in die Arbeit stürzen. Und der Kunde interessiert sich nur für den Preis? Man fühlt sich unverstanden. Man verkauft doch keinen Entwurf von der Stange oder ein Dutzend Layouts abgewogen und eingepackt wie ein Pfund Fleisch. Hier werden ›Werte‹ geschaffen! Völlig irritiert stammelt der Designer Floskeln, die ihm im ersten Augenblick besonders klug vorkommen. Zum Beispiel: „Das kommt drauf an.“ Grundsätzlich eine tolle Reaktion und übrigens auch die schulmäßige Standardantwort des studierten Juristen. Man glaubt, etwas Zeit gewonnen zu haben und wähnt sich in Sicherheit. Doch nach einer kurzen Stille folgt die unvermeidliche Gegenfrage: „Worauf?“
Der nunmehr ganz und gar verunsicherte Designer bereitet den potentiellen Kunden nahezu entschuldigend auf einen möglichen Schock vor. Mit unnachahmlichem Einfallsreichtum wird um den heißen Brei philosophiert, um dann möglichst umständlich den kaum abschätzbaren Umfang der Arbeit zu erläutern. Tunlichst darauf bedacht, eine Vielzahl unbestimmter Variablen einzustreuen, die jederzeit nach oben (und vor allem nach unten) korrigiert werden können: „Wenn ich nur den Entwurf erarbeite, wird es wahrlich ein wenig billiger, was natürlich auch von Ihrem Budget abhängt. Kommt noch die Reinzeichnung hinzu? Dann … na ja … das hängt natürlich davon ab, wo gedruckt werden soll. Ach so. Soll ich auch den Druck betreuen? Wissen Sie schon, wie viel Sie investieren möchten?“ Gern benutztes Verhandlungsinstrument ist in der Endphase der Verzweiflung auch die Verwendung auffällig vieler Fremdwörter. Das erweckt einen professionellen Eindruck und hält den Kunden hoffentlich vom weiteren Nachfragen ab.
Spätestens jetzt bekommt unser Gegenüber den Eindruck, wir wüssten zwar nicht, was wir wollen … aber das mit ganzer Kraft. In der Konsequenz hat unser kleines Designbüro einen wohlgesonnenen Kunden verloren – oder bekommt den Zuschlag für eine derart niedrige Vergütung, dass der Auftraggeber bereit ist, sich auf das Abenteuer unserer Preiskalkulation einzulassen. Denken wir immer daran: Verhandlungspartner sind meist Kaufleute. Und kein Kaufmann investiert Geld in Leistungen, die nicht einleuchtend erklärt und transparent kalkuliert werden können.
Ziel dieser Kolumne ist es, möglichst viel Rüstzeug für eine nachvollziehbare Kalkulation zu geben, die im besten Fall keine Fragen offen lässt – weder bei Ihnen noch beim Kunden. Ich hoffe, möglichst viele Denkanstöße für eine erfolgreiche Kalkulation geben zu können – aber natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit.
In diesem Sinne freue ich mich über möglichst viel Feedback, Anregungen, Korrekturen und Ergänzungswünsche, um dieses Thema auch in Zukunft möglichst umfassend für Sie und unsere Kollegen aufbereiten zu können.
Lieber ein Buch zum Thema lesen?
DESIGN KALKULIEREN
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Zum Inhalt
Was kostet Design? Im Praxisleitfragen »Design kalkulieren« werden folgende Schwerpunkte behandelt: Stundensatz berechnen. (…) Kosten kalkulieren. Nutzung vereinbaren. Verträge verhandeln. »Design kalkulieren« basiert auf 10-jähriger Praxiserfahrung als selbstständiger Designer. Der kleine Leitfaden soll jungen wie gestandenen (Web-)Designern, Textern und Konzeptionern helfen, Aufträge richtig einzuschätzen und Leistungen gewinnbringend zu kalkulieren.
Angebote erstellen: Aber wie?
Design kostet Zeit: Berechnung des Arbeitsaufwandes
Zeit kostet Geld: Berechnung des eigenen Stundensatzes
Vorsicht Kunde: Das Briefing
Jetzt geht‘s los: Kalkulation eines Angebotes
Wem nützt es?: Nutzungslizenzen vereinbaren
Sich vertragen: Wichtige Vertragsgrundlagen
Bonustrack: WEB-DESIGN, Praxistipps, Beispielrechnungen
Sehr sinvoll.
Ganz gut! Schreiben Sie weiter….