Allgemeines
Der Grafik-, Mode-, Produkt- oder Textildesigner ist nicht nur Berater, Gestalter, (Überlebens-) Künstler und Unternehmer, sondern auch Lizenzgeber. Nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) gilt die Schaffung von gestalterischen Werken nämlich nicht nur als Dienst- oder Werkleistung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sondern ggf. auch als eine persönliche, geistige Schöpfung. Unterliegen Designleistungen dem Urheberrecht, können diese Arbeiten nicht mehr ohne weiteres veräußert werden: Das Urheberrecht ist nämlich nicht übertragbar! Sind Sie also Urheber eines Werkes, können Sie das Urheberrecht an Ihrem Werk nicht Ihrem Kunden vermachen. Also, was ist zu tun?
Ganz einfach: Sie werden zum Lizenzgeber. Sie räumen Ihrem Kunden die gewünschten räumlichen, zeitlichen und inhaltlichen Nutzungsrechte an den von Ihnen erbrachten Entwurfsarbeiten ein – und lassen sich diese Lizenzen je nach Umfang bezahlen (dazu später noch genauer!). Das Ganze klingt etwas eigenartig: Immerhin werden wir für eine Leistung bezahlt (zum Beispiel für den Entwurf einer Zeitungsanzeige); und nun soll der Kunde für die Nutzung eben dieser Leistung bezahlen? Das ist doch etwas doppelt gemoppelt? Die Antwort ist: nein.
Mit der Entwurfsvergütung wird der künstlerisch-gestalterische Teil unserer Arbeit abgegolten. Die Nutzungsvergütung hingegen deckt den wirtschaftlichen Wert der Arbeit ab. So ist der Arbeitsaufwand für eine Zeitungsanzeige immer annähernd vergleichbar, der wirtschaftliche Nutzen, den ein Unternehmen aus dieser Anzeige zieht, kann allerdings recht unterschiedlich sein. Da ist es nur redlich, wenn die Anzeige einer weltweiten Werbekampagne höher vergütet wird als eine einmalige Bekanntmachung des hiesigen Tennisvereins.
So findet auf diese Weise eine faire und nachvollziehbare Budgetanpassung zwischen kleinen Einzelunternehmen und großen Weltkonzernen statt. Immerhin wäre es schwierig zu erklären, warum der Entwurf einer Visitenkarte für ein nationales Unternehmen teurer sein sollte, als bei einem regionalen Einzelkämpfer. Schnell könnte man in den Ruf kommen, Angebote willkürlich und nach persönlichen Vorlieben zu gestalten – frei nach dem Motto: „Bei großen Unternehmen bin ich halt dreimal so teuer. Die habens ja.“ Hier ist eine transparente Regelung gemäß der wirtschaftlichen Nutzung einer Arbeit weitaus charmanter. Betrachtet man das Konstrukt der Nutzungsvergütung näher, bringt es aber noch weitere Vorteile für uns – und vor allem für den Kunden.
Der Kunde geht mit der Beauftragung des Designbüros ein geringeres Risiko ein. Zwar sind Entwurfs- und Nutzungsvergütung Teil des Gesamtvertrages, jedoch werden diese separat ausgewiesen und verhandelt. Durch diese Trennung könnten die vertraglichen Beziehungen bequem nach dem Entwurfsstadium abgebrochen werden, sollte dem Auftraggeber die Leistung des Designers nicht gefallen. Entsprechend trägt der Auftraggeber nur das Risiko für die Entwurfsarbeiten (die reine Arbeitszeit), da er nur diese berechnet bekommt, sollten die Arbeiten später nicht genutzt werden.
Durch die Nutzungsvergütung kann auf die individuellen Bedürfnisse und auf das Budget des Kunden eingegangen werden. So wird unterschieden, in welchem Umfang die Arbeit genutzt wird, in welchem Zeitraum, welcher Region und ob die Entwürfe dem Kunden exklusiv oder nicht exklusiv zur Verfügung stehen. Damit haben wir vielfältigste Möglichkeiten, den Kostenball flach zu halten. So könnte die Nutzungsdauer für einen Aktionsflyer auf ein Jahr beschränkt werden. Wird die Aktion im zweiten Jahr wiederholt, ist nur die Differenz zur erweiterten Nutzung zu zahlen. Dementsprechend kann der Kunde die Effizienz einer Werbeaktion in Ruhe testen und trägt ein geringes finanzielles Risiko. Stellt sich heraus, dass die Werbung ein so großer Erfolg war, dass er unsere Arbeit weiternutzen möchte, ist er sicher auch bereit, etwas mehr für diese Leistung zu zahlen.
Jeder Kunde will das Glückshormon „Ich bin ein Verhandlungskönig“ auskosten. Schenken Sie ihm das gute Gefühl, schwer verhandelt und das Beste für sich herausgeholt zu haben. Mit den Nutzungsrechten können wir nämlich entspannt in die Preisverhandlung gehen: Bringen wir erst einmal die Nutzungsrechte in den Vordergrund der Verhandlung, sind auch nur diese auf dem Prüfstand. Mit anderen Worten: Unsere Arbeitszeit und damit unser »Traumgehalt« wird bereits bezahlt. Seien Sie bei den Nutzungsrechten also ruhig etwas großzügiger: Möchte der Kunde unsere Leistung nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und der Schweiz nutzen, können wir guten Gewissens die erweiterte Nutzung für den deutschsprachigen Raum in den Topf werfen. Ist der Kunde nicht sicher, ob er die Entwürfe drei oder fünf Jahre nutzen möchte, schenken Sie ihm im Lichte der guten Zusammenarbeit die zwei Jahre. Nutzungsrechte sind ein hervorragendes Betätigungsfeld für Preisverhandlungen und lenken gekonnt von unserem unantastbarem Stundensatz ab.
Wie wir sehen, bieten uns Nutzungsrechte ein schönes Rüstzeug für Kundenverhandlungen. Gleichzeitig nutzen die Preisabstufungen nach Nutzung nicht nur uns, sondern auch dem Kunden. Die Kunst ist, dies dem Kunden zu erklären. Hat er die Zusammenhänge einmal begriffen, wird er die Vorteile zu schätzen wissen.
Leider sind die Nutzungsrechte im Arbeitsalltag des Designers nicht unbestritten. Zwar ist jedem bewusst, dass man nicht fremde Fotos aus dem Internet klauen und verwenden darf, dass es illegal ist, Musik und Videos aus Tauschbörsen zu saugen, dass man nicht ohne weiteres einen Rembrandt kopieren und als Original verkaufen sollte – bei grafischen Werken scheint jedoch keinerlei Unrechtsbewusstsein zu bestehen. Doch woran liegt das? Vor allem an der nach wie vor umstrittenen Rechtslage. Nehmen wir diese einmal unter die Lupe …
Gesetzliche Grundlagen
Zunächst ein paar wichtige Paragraphen vorne weg:
§ 1 UrhG:
„Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes.“
§ 2 Abs. 2 UrhG:
„Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.“
§ 31 Abs. 1 UrhG:
„Der Urheber kann einem anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen (Nutzungsrecht). Das Nutzungsrecht kann als einfaches oder ausschließliches Recht sowie räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt eingeräumt werden.“
§ 32 Abs. 1 S. 1 UrhG:
„Der Urheber hat für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung.“
Im Übrigen lege ich nahe, das UrhG einmal vollständig zu lesen. Keine Sorge, wir reden hier von einem schlanken Büchlein mit 143 Paragraphen. Diese sind allerdings umso spannender, da sie immerhin unserem Broterwerb dienen. Zudem findet man im Internet zum Suchwort „Urhebergesetz“ rasch eine kostenfreie digitale Version der Paragraphen.
Kommen wir jetzt zur Auslegung des UrhG: Als Urheber eines Kunstwerkes genießen wir für unsere Werke einen Urheberschutz, d. h., ein Dritter darf nicht ohne weiteres unsere Arbeiten nehmen und diese nutzen, vervielfältigen, kopieren usw. Aber wir können jedem Dritten – wie zum Beispiel unserem Auftraggeber – die Erlaubnis zur Werknutzung einräumen. Dann haben wir allerdings auch einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Prima! Aber gehen wir ein Schritt zurück: Wann greift der Schutz des UrhG? Was ist ein „Kunstwerk“ im Sinne des Gesetzes? Was ist eine angemessene Vergütung für die Nutzung unserer Arbeiten?
In § 2 UrhG heißt es: „Werke im Sinne des Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.“
Okay: »Persönlich« erbringen wir unsere Entwürfe. Zudem »Schöpfen« wir: Wir setzen uns kreativ mit den uns gestellten Aufgaben auseinander, entwickeln Ideen zur Lösung, erarbeiten Entwürfe und bringen diese schließlich ins Reine. Durch diese geistig-schöpferische Auseinandersetzung, inklusive der anschließenden Erarbeitung entsprechender gestalterischer Lösungsvorschläge, erfüllt der Arbeitsprozess des Designers die gesetzlichen Kriterien des Urheberrechtsgesetzes … möchte man meinen. Leider sehen (allen voran) die Finanzämter dies ein bisschen anders. Wen wundert´s? Schließlich werden künstlerische Arbeiten mit 7 % statt 19 % besteuert. Und in den Ohren eines Finanzbeamten klingen 19 % Umsatzsteuer viel besser. Aber auch die Gerichte sind sich nicht immer ganz einig, welche Designleistung nun nach UrhG geschützt ist und welche nicht. So hat es die Rechtsprechung in den letzten Jahrzehnten nicht geschafft, die Leistung des Designers endlich der des Hobbyfotografen gleichzustellen (Lichtbilder genießen nämlich immer den Schutz des UrhG). Der Bundesgerichtshof vertritt die Auffassung, dass eine urheberrechtlich geschützte Schöpfung im Bereich der zweckgebundenen angewandten Kunst – also im Bereich unserer Leistungen als Auftragsdesigner – nur dann vorliegt, wenn die erbrachte Leistung die bloß geschmacksmusterfähige Gestaltung deutlich überragt (vgl. BGH GRUR 1995, S. 581, 582). Zwischen welchen Zeilen der Bundesgerichtshof dies im Gesetzestext lesen will, ist ein Rätsel, aber so ist dies nun einmal. Natürlich springen die Finanzämter gerne auf den fahrenden Zug auf und legen ihrerseits fest, dass eine künstlerische Tätigkeit des Designers nur dann anzunehmen ist, wenn die Arbeit über die hinreichende Beherrschung der Technik hinaus geht, etwas Eigenschöpferisches enthält und eine bestimmte Gestaltungshöhe erreicht.
Das Ganze noch einmal in verständlichen Worten:
Um den Schutz des UrhG genießen zu können, müssen wir zunächst die erforderliche Technik zur Ausübung unseres Berufes beherrschen. Wann dies der Fall ist, ist ein weites Feld (schließlich lernt man sein ganzes Leben dazu), jedoch deutet ein abgeschlossenes Studium schon einmal darauf hin.
Dann müssen wir »selbst« gestalten. Immerhin verlangt das Gesetz eine persönliche Schöpfung. Na gut. Das ist verständlich.
Schließlich müssen wir (im Rahmen unseres Auftrags) überhaupt kreativ tätig werden ‚können’. Haben wir keine schöpferische Gestaltungsfreiheit, da wir zum Beispiel ein klares Gestaltungsraster von unserem Auftragsgeber vorgesetzt bekommen, können wir auch keine kreativen Höhenflüge vollbringen, mithin keine schöpferische Höhe erreichen. Um uns den Urheberschutz des Gesetzes zu verdienen, müssen wir also die Möglichkeit haben, uns gestalterisch zu entfalten. Okay. Auch das ist nachvollziehbar.
Überdies muss unser Werk von uns als Urheber geprägt sein. Wir müssen durch unsere individuelle geistige Arbeit etwas Eigentümliches und Neues schaffen. Dies ist bei dem Entwurf eines DIN-A4-Ausdrucks »Currywurst: 2 EUR« fraglich.
Jetzt kann natürlich auch unser Wurstschild wahnsinnig »eigentümlich« sein. Nur muss unserem Werk auch noch eine »bestimmte Gestaltungshöhe« innewohnen. Tja. Wann diese erreicht ist, weiß nur Gott allein – und die Finanzverwaltung natürlich! Die Finanzbehörden vertreten die Auffassung, dass die Leistung des Designers »in der Regel keine Gestaltungshöhe auf der Ebene eines Kunstwerks erreicht«. Klasse. Da haben wir´s wieder: Wenn ich Kunst machen will, mal ich ein Bild. Dann ist egal, was drauf ist.
Summa summarum arbeiten wir als Designer in der ständigen Ungewissheit, ob unsere Entwürfe unter den Schutz des UrhG fallen – oder nicht. Einen eleganten Lösungsweg geht hier die Allianz deutscher Designer, indem sie in ihren »Allgemeinen Vertragsgrundlagen« die einengende Gesetzesauslegung des § 2 UrhG einfach umgeht. Dort wird schlicht die Geltung des Urheberrechtsgesetzes vereinbart, auch wenn die Schöpfungshöhe nach § 2 UrhG nicht erreicht ist.
Im Prinzip ein gelungener Kompromiss, solange die Gesetzgebung keine Rechtssicherheit für den Designer schafft. Allerdings ist zu beachten, dass diese Vereinbarung nur durch den Vertragsabschluss mit dem Geschäftspartner zustande kommt, mithin auch nur zwischen den Parteien gilt. Wird durch Dritte das Urheberrecht verletzt, so kommt die oben beschriebene Problematik wieder auf den Tisch, und es muss vor Gericht geprüft werden, ob die Gestaltungshöhe erreicht ist, etc. Zudem ist fraglich, ob diese Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gut aufgehoben ist. Besser wäre es vielleicht, eine entsprechende Vereinbarung in den normalen Vertragstext aufzunehmen.
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